Heilsame Trugbilder: Therapien mit Videobrillen und Spiegelbildern sowie moderne Prothesen könnten künftig Phantomschmerzen lindern
Phantomschmerzen sind bittere Realität für viele Menschen nach einer Amputation. 50 bis 80 Prozent von ihnen spüren – meist zeitweilig – Schmerzen in den fehlenden Gliedmaßen. Manche Menschen beeinträchtigt das wenig, doch im Extremfall benötigen die Betroffenen starke Schmerzmittel oder sogar Narkotika, wenn ihr Phantomschmerz sie wieder quält. Allerdings haben diese Medikamente Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Verstopfung.
Verursachen veränderte Hirnströme die Phantomschmerzen?
Schmerzforscher erproben daher auch andere Therapien und nutzen dabei Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften. So repräsentieren festgelegte Zonen der Hirnrinde die verschiedenen Körperpartien. Ein Bereich in der linken Gehirnhälfte ist zum Beispiel zuständig für Empfindungen der rechten Hand. Nicht weit davon entfernt liegt eine Zone, die Mundbewegungen steuert.
Doch nach Amputationen entsteht im Gehirn manchmal ein Durcheinander. Das haben Forscher mit bildgebenden Verfahren nachgewiesen. Spitzt etwa jemand, dessen Hand amputiert wurde, die Lippen, wird zusätzlich die Zone aktiv, die früher für den nun fehlenden Körperteil zuständig war. „Diese Auffälligkeit beobachten wir nur bei Patienten, die Phantomschmerz haben“, sagt Dr. Martin Diers vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. „Das Gehirn erwartet Signale von der Hand und erhält sie von der Lippe. Vermutlich verursacht dieser Konflikt die Schmerzen.“
Die beiden Kernspintomografie-Aufnahmen in der Bildergalerie veranschaulichen diesen Vorgang. Beides sind Aufnahmen von Menschen, die ihre Lippen spitzen:
Auch wenn die These, dass veränderte Hirnströme die Erklärung für Phantomschmerzen sind, nicht bewiesen ist: An der veränderten Gehirnaktivität besteht kein Zweifel. Und hier setzt die Therapie an, die das Team von Professorin Herta Flor erforscht, zu dem Martin Diers gehört. Das Prinzip: Erhält das Gehirn wieder Impulse von dem amputierten Körperteil, zum Beispiel einer Hand, verschwinden damit die Schmerzen.